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DER DESERTEUR

19. Februar 1914

Auf dem Baumstamm, dem bemosten 

Seine Augen Tränen schwer 

Sitzt ein Wandrer still verlassen 

Ach er ist ein Deserteur. 


Vor ihm liegt in Licht und Sonne 

Gablonz, seine Vaterstadt. 

Welche er seit vielen Jahren 

Nimmer mehr gesehen hat. 


O, ihr lieben Heimatsglocken 

Sagt, o denket sie noch mein 

Hier auf dieser Stelle schwor sie 

Ihrem Liebsten treu zu sein. 


O ihr Glocken, hellen Glocken 

Bringt ihr mir der Mutter Gruß 

Als ich aufmarschieren musste 

Stand sie dort am blauen Fluß. 


Alle Kristen ruft ihr morgens 

Nach dem alten Gotteshaus 

Nur den Deserteur den armen 

Schließen ihre Mauern aus. 


O, ich kann nicht widerstehen 

Glocken euch so hell und rein 

Kann es auch mein Leben kosten 

Ich muss in die Stadt hinein. 


Und er wagts, mit keckem Schritten 

Eilt er in die Stadt hinein 

Aber ach nun musst er sehen 

Wie hier alles verändert sei. 


Seine Mutter liegt am Friedhof 

Umgebaut die Häuser sind 

S’liebchen hat in längst verlassen 

Hat schon lange Mann und Kind. 


Nur die Kirche steht noch, 

Unverändert wie zuvor 

Und er kann sein Leid verweinen 

Ungeachtet unterm Tor. 


Als er traurig weiter schreitet 

Und die Vaterstadt verläßt 

Da erkennen ihn die Soldaten 

Und die Wache nimmt ihn fest. 


Nun wohlan, führt mich zum Richtblock 

Endet meinen bittren Schmerz 

Meine alten Kameraden 

Sollen schießen mir ins Herz.  

Geschrieben aus langer Weile

Gustav Scheufler - Infanterist

Leitmeritz

Der Deserteur: Project
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